Spurenlesen kann man sinnvoll in die eigene Arbeit mit dem Pferd integrieren. Dazu gehören eine gute Beobachtungsgabe und etwas Handwerkszeug. Was eine Spur alles hergibt und auf welche Punkte man achen muss, zeige ich euch hier.
Um eine Spur zu lesen, unterscheidet man drei Arbeitsschritte: Als Erstes wird notiert, was man sieht oder misst. Als Zweites werden die so gewonnenen Erkenntnisse interpretiert und als Drittes versucht man, die Interpretationen zu einem Gesamtbild zusammenzuführen.
Betrachten wir das obige Foto.
Schritt 1: Was sieht man?
Das Foto zeigt zwei Spuren. Eine von einem Pferd und eine von einem Menschen. Die Spuren führen auf den ersten Blick in verschiedene Richtungen.
In der Pferdespur sehen wir wechselseitig zwei dicht beieinander liegende Abdrücke. Von diesen Doppelabdrücken ("Fuß-in-Fuß") sind die jeweils hinteren Abdrücke ebenmäßiger als die vorderen Abdrücke. Die hinteren Abdrücke reichen nur knapp an die vorderen Abdrücke heran. In der Menschenspur sehen wir, dass die Abdrücke des linken Fußes tiefer und deutlicher sind als die des rechten Fußes.
Für nähere Infos sind folgende Abdrücke interessant (rote Kreise, s. unten): Beim Hufabdruck erkennt man im vorderen Bereich des vorderen Abdrucks eine hochgeschobene Platte aus komprimiertem Sand. Diese Platte ist nur ganz oben am Rand zerbröselt. Der hintere Abdruck zeigt eine leichte Bodenwelle mit einem Ansatz zu einer Platte (beginnendes Brechen im hinteren Bereich). Bei der eingekringelten Menschenspur sieht man im Bereich der Hacke den Ansatz einer vergleichbaren Platte, erkennbar am Riss im Sand. Die Platte befindet sich im hinteren äußeren Bereich des Abdrucks der Hacke. Die Fußspitze ist weniger stark eingedrückt als die Hacke. Dazu zeigt die Fußspitze leicht nach außen, während die Fußspitze des rechten Fußes gerade bleibt.
2. Schritt: Interpretation
Bei dem eingekringelten vorderen Abdruck des Pferdes handelt es sich um den rechten Vorderhuf. Das lässt sich aus der Lage des Abdrucks innerhalb der Fährte schließen. Der direkt daran anschließende Abdruck ist der rechte Hinterhuf, da er etwas über dem Abdruck des Vorderhufes liegt. Er hatte also nach dem Vorderhuf Bodenkontakt. Im vorderen Abdruck haben wir eine höhere Druckbelastung als im hinteren Abdruck, erkennbar an der hochgedrückten Platte. Der Druck beim Abfußen war hier im Bereich der Hufspitze. Das Aussehen dieser Platte sowie die Tatsache, dass sie sich im vorderen Bereich des Abdrucks befindet, lässt auf die Gangart Schritt schließen. Dazu erkennt man, dass die Hauptkraftübertragung aus der Vorhand kam, da im Abdruck des Hinterfußes lediglich ein Ansatz einer vergleichbaren Platte im Boden zu erkennen ist.
Bei der Menschenspur kann man im Bereich der Hacke des linken Fußes ebenfalls den Ansatz einer Platte sehen, erkennbar durch einen kleinen Riss im ansonsten festgetretenen Sand. Hier war der Bereich der höchsten Druckbelastung und der Druck war zur Fußspitze hin gerichtet. An der Fußspitze selbst hingegen war deutlich weniger Druck als am Absatz, denn sie ist weniger tief eingedrückt. Das lässt darauf schließen, dass die Person rückwärts gegangen ist. Aufgrund der tiefer eingedrückten Abdrücke des linken Fußes war das Gewicht des Menschen nach links verlagert. Die nach links weisende Zehenspitze sowie der Lage der Platte im äußeren linken Bereich des Absatzes weisen auf eine leichte Drehung des Körpers des Menschen nach links hin.
Betrachtet man beide Spuren zusammen, sieht man, dass die Abdrücke des linken Fußes der Menschenspur tiefer eingedrückt sind als die Abdrücke des rechten Fußes. Dazu sind sie leicht nach links gedreht. Das spiegelt sich beim Pferd wieder, denn die beiden sichtbaren Abdrücke des rechten Vorderhufs weisen eine Platte auf, während die linken Vorderhufe keine Platten aufweisen. Bei einem gleichmäßigen Schritt geradeaus sollten sie auf beiden Seiten zu sehen sein. Hier hat das Pferd also mehr Gewicht auf dem rechten Vorderfuß als auf dem linken. Zusammengenomen mit dem tiefer eingedrückten linken Fuß des Menschen lässt sich daraus schließen, dass der Mensch sich zum Pferd hinlehnt und dass das Pferd ausweicht, indem es sein Gewicht mehr nach außen auf die rechten Füße verlagert.
3. Schritt: Gesamtbild
Bei der Pferdespur handelt es sich um ein Pferd im Schritt. Daneben ging ein Mensch rückwärts. Ob beide direkt interagieren, etwa über eine Longe, ist aus der Spur nicht erkennbar, wohl aber, dass das Pferd auf die Anwesenheit des Menschen reagiert und ausweicht, soweit es die Bande zulässt. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass beide zu gleicher Zeit nebeneinander hergegangen sind. Das Pferd tritt mit der Hinterhand relativ kurz. Das könnte mehrere Gründe haben: Zum einen ein fester Rücken, der eine Übertragung der Energie nach vorne blockiert, zum anderen könnte es der Mensch sein, der dem Pferd schlicht im Weg steht. Vermutlich ist es eine Kombination aus beidem.
Auflösung
Dies ist ein älteres Bild von einer Spur, die mein Pferd und ich bei der Bodenarbeit produziert haben. Ich weiß also, dass ich rückwärts gegangen bin. Interessant ist, dass die Spur das auch wiederspiegelt und dass es für jeden sichtbar ist, der weiß, wonach er suchen muss. Zudem zeigt sie Dinge auf, die mir während der Arbeit so nicht bewußt waren.
Ich bin auch nicht mehr sicher, was ich da versucht habe. Ich vermute, es war eine Art Schultervor vom Boden aus. Letztlich habe ich mein Pferd aber einfach nur ausgebremst und gegen die Wand gedrückt. Darum macht es Sinn, die entstandenen Spuren zur Überprüfung der Arbeit einzusetzen. Denn sie machen sehr deutlich, ob die Aktion sinnvoll war oder ob man da gerade einfach nur Mist produziert hat. Spuren sind da sehr ehrlich ;-)
