Bitte beachte die Hinweise am Ende des Textes!
Auch im Winter begegnen uns allerlei Gewächse, die aber zum Teil völlig anders aussehen als im Sommer. Trotzdem ist es wichtig, sie erkennen zu können. Die allermeisten Pflanzen blühen während der Vegetationsperiode (Frühling bis Herbst), aber es gibt Ausnahmen: So kann das Gänseblümchen zum Beispiel bei mildem Wetter das ganze Jahr über blühen. Die giftige Nieswurz oder Christrose (Helleborus niger) blüht sogar nur im Winter (November bis März). Trotzdem scheidet die Blüte als Bestimmungsmerkmal im Winter größtenteils aus. Die Bestimmung erfolgt hauptsächlich über die winterlichen Blätter.
Viele mehrjährige Pflanzen bilden in der kalten Jahreszeit Überdauerungsorgane über der Erde (sogenannte Oberflächenpflanzen oder Hemikryptophyten), aus denen sie
im Frühling erneut austreiben. Andere sind zweijährig oder winterannuell, das bedeutet, dass sie zwar vor dem Winter austreiben, aber nur Wurzeln und Blätter bekommen und erst im zweiten Jahr
blühen, bevor sie absterben. Allen ist gemeinsam, dass sie im Winter grüne Blätter zeigen.
Gewöhnlicher Löwenzahn
Der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum officinale) ist eine der bekanntesten Pflanzen, denen man in Paddocks begegnen kann. Allerdings wird er oft mit anderen Pflanzen verwechselt, denn es gibt noch eine zweite Gattung Löwenzahn (Leontodon) sowie einige andere gelb blühende Korbblütler mit ähnlichen Blättern. Da sie manchmal schwer auseinander zu halten sind, werden sie von genervten Botanikern gerne als „FYC“-Pflanzen bezeichnet (FYC = „Fucking Yellow flowering Composites“, Composites = Korbblütler).
Im Winter kann man den Gewöhnlichen Löwenzahn an seiner dicht an den Boden gedrängten Blattrosette mit den typisch gezähnten Blättern erkennen. Ein weiteres, wichtiges Merkmal sind die hohlen Blütenstängel (er kann auch vereinzelt im Winter bei mildem Wetter blühen), die ihn recht zuverlässig von Leontodon-Arten, dem Gewöhnlichen Ferkelkraut (Hypochaeris radicata) und dem Herbst-Löwenzahn (Scorzoneroides autumnalis) unterscheidet. Dennoch sind die Merkmale des Gewöhnlichen Löwenzahns (zum Beispiel die Größe und die Zähnung der Blätter) sehr variabel.
Löwenzahn mag stickstoffhaltige Böden, weshalb er gerne an Paddockrändern wächst. Das unterscheidet ihn vom ebenfalls gelb blühenden Gewöhnlichen Ferkelkraut, das lieber auf weniger nahrhaften Böden wächst. Die ebenfalls häufigen Arten Rauher Löwenzahn (Leontodon hispidus) und Herbst-Löwenzahn kommen bei uns auch gerne auf stickstoffreichen Böden vor.
Der Gewöhnliche Löwenzahn ist nicht giftig, im Gegenteil: Meine Pferde knabbern vor allem im Frühjahr begeistert die Blattrosetten ab, um an die saftige Wurzel darunter zu kommen. Die gesamte Pflanze enthält Bitterstoffe, die die Verdauung anregen und früher als Frühjahrskur genutzt wurden. Soweit ich weiß, sind Leontodon-Arten auch nicht giftig. Lediglich das Ferkelkraut kann in größerer Menge bei Pferden den sogenannten „Hahnentritt“ auslösen.
Löwenzahn kann also bleiben. Rausrupfen erübrigt sich sowieso, denn einen Löwenzahn mit seiner langen Wurzel vollständig auszureißen, ist nahezu unmöglich :-)
Gundermann
Der Gundermann (Glechoma hederacea) ist für Menschen eine Heilpflanze und wird in kleinen Mengen als Würzkraut in der Küche verwendet (sparsam (!) wegen seines scharf-würzigen, recht dominanten Geschmacks). Für Pferde ist er giftig. Erkennbar ist der Gundermann an seinen nierenförmigen, rundlich gezähnelten Blättern, die an langen Trieben über die Erde ranken. Im April/Mai erscheinen die blauvioletten Blüten. Die Pflanze kriecht am Boden, nur die Blütenstängel stehen aufrecht. Gundermann ist wintergrün und wächst gerne an schattig-feuchten Stellen in Wiesen, an Hecken und an Bächen und Gräben. Verwechseln kann man ihn zur Blütezeit mit dem Kriechenden Günsel (Ajuga reptans), der pyramidenförmige Blütenstände mit knallblauen Lippenblüten bildet. Der Stängel ist beim Günsel aber vierkantig (!), die eiförmigen, glänzenden Blätter sind größer, ganzrandig, leicht gewellt und machen einen eher ledernen Eindruck. Der Günsel ist eine Heilpflanze und für Pferde nicht giftig.
Gundermann kommt sehr häufig vor. Er kann bei Pferden schwere Vergiftungserscheinungen hervorrufen. In Paddocks wächst er oft in feuchten Ecken unter Gebüsch. Auch wenn ich bisher beobachten konnte, dass die Pferde sorgfältig um ihn herum knabbern, ist es besser, ihn an den betreffenden Stellen zu entfernen oder diese Stellen unzugänglich zu machen. Gundermann ist übrigens sehr hartnäckig und taucht nach dem Herausrupfen schnell wieder auf.
Stinkender Storchschnabel
Der Stinkende Storchschnabel (Geranium robertianum) kommt sehr häufig vor, vorzugsweise im Schatten oder Halbschatten auf feuchten, nährstoffhaltigen Böden unter Bäumen oder Gebüsch, schafft es aber auch, auf Bahndämmen oder an Bürgersteigen zu überleben. Dann hat er oftmals knallrote Blätter. Er ist zudem gut erkennbar an seinen hübschen, etwa einen Zentimeter großen, knallrosa Blüten mit fünf Blütenblättern. Absolut unverkennbar ist sein Geruch: Berührt man die Pflanze, setzen die enthaltenen ätherischen Öle einen ziemlich streng riechenden „Duft“ frei. Interessanterweise finden manche Menschen den Geruch angenehm, mir rollen sich da eher die Fußnägel auf :-)
Die Blätter sind drei- bis fünfteilig und wirken sehr zart. Gut erkennbar ist die Art auch an ihren Früchten: Nachdem die Blütenblätter abgefallen sind, steht der Griffel wie ein Storchschnabel aus dem Fruchtknoten heraus. Der Stinkende Storchschnabel blüht bei mildem Wetter bis November/Dezember. Er kann einjährig sein oder auch als zweijährige Pflanze überwintern.
Der Stinkende Storchschnabel ist eine Heilpflanze und war früher viel in Gebrauch. Er ist für Pferde nicht giftig, sie fressen ihn sogar ganz gerne. Er kann also bleiben.
Schöllkraut
Das kleine, gelb blühende Schöllkraut (Chelidonium majus) mag es schattig unter Gebüsch oder im Wald, wächst aber auch an Wegen, auf Höfen und auf Schuttplätzen. Es mag stickstoffhaltige Böden. Die zarten, hellgrünen Blätter sind buchtig eingekerbt, die Blüte hat vier Blütenblätter, die ähnlich wie beim Klatschmohn schnell abfallen. Tatsächlich gehört die kleine Pflanze zu den Mohngewächsen (Papaveraceae). Das unverkennbarste Merkmal des Schöllkrauts ist sein gelblicher Milchsaft, der beim Abbrechen eines Blattes austritt und sich schnell orange verfärbt. Dieser Saft wurde früher genutzt, um Warzen zu behandeln und ist stark ätzend.
Das Schöllkraut ist eine Giftpflanze für Mensch und Pferd, aber auch eine Heilpflanze. Trotzdem sollten Pferde sie nicht fressen oder mit dem Saft in Berührung kommen. Daher besser entfernen oder absperren. Wer übrigens wissen möchte, was eine effektive Verbreitung ist, kann das Schöllkraut in seinem Garten wachsen lassen: Seine Samen werden von Ameisen verbreitet. Wartet man ein paar Monate, erscheinen entlang der Ameisenstraße viele winzig kleine Schöllkraut-Keimlinge. Toll zu beobachten, man muss sie nur wieder loswerden :-)
Wichtig! Bitte beachten!
Die hier vorgestellten Pflanzen sind zum Teil Giftpflanzen. Neben klassischen Giftpflanzen, die schon in kleinen Mengen schwere Vergiftungen hervorrufen und die jeder Pferdebesitzer kennen sollte, gibt es auch Pflanzen, deren Wirkstoffe erst in größeren Mengen Vergiftungssymptome bewirken können. Die Wirkung giftiger Pflanzen hängt allgemein von verschiedenen Faktoren wie der individuellen Empfindlichkeit des Pferdes, der Tages- und Jahreszeit der Aufnahme (schwankende Wirkstoffkonzentration), den gefressenen Pflanzenteilen, der möglichen Besiedlung der Pflanze mit Pilzen, der Dauer der Aufnahme und natürlich der aufgenommenen Menge im Verhältnis zum Körpergewicht ab. Manche Pflanzen können auch bei bloßem Hautkontakt Schädigungen bewirken. Auch hier kann die individuelle Empfindlichkeit des Pferdes (zum Beispiel helle Haut) eine Rolle spielen. Manche Pferde reagieren allergisch auf Pflanzen, die nicht als typische Giftpflanzen bekannt sind (zum Beispiel Korbblütler).
Jeder Pferdebesitzer sollte sich daher mit den Pflanzen in der Umgebung seines Pferdes befassen und wissen, welche Vorlieben das Pferd hat und ob es auf bestimmte Pflanzen eventuell empfindlich oder sogar allergisch reagiert. Ein Beobachten des Verhaltens im Paddock und auf der Weide gibt Aufschluss. Bei Verdacht einer Vergiftung sollte sofort der Tierarzt benachrichtigt und die fragliche Pflanze, notfalls als Foto, aber besser im Original, vorgezeigt werden.
Ich selbst bin weder Tierärztin noch Tierheilpraktikerin noch Toxikologin. Die hier beschriebenen Wirkungen der vorgestellten Pflanzen haben lediglich informativen Charakter und beruhen auf dem Wissen aus meiner akademischen Ausbildung als Botanikerin, auf der gängigen Fachliteratur sowie auf eigenen Erfahrungen. Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben. Es wird ebenso keine Haftung für eventuelle Schäden und die unsachgemäße Verwendung von Pflanzen und deren Zubereitungen übernommen.